12. Mai 2020

Ist die Durchführung der Jahreshauptversammlung in Zeiten von Covid-19 überhaupt möglich bzw. notwendig? Lesen sie die rechtlichen Rahmenbedingungen!

Kurz und kompakt:

Die Jahreshauptversammlung muss abgehalten werden, wenn entweder die Funktionsperiode des Vorstandes abgelaufen ist oder der Verein weniger als 50 Mitglieder hat.

Die Jahreshauptversammlung kann bis Ende 2021 verschoben werden, wenn der Verein zumindest 51 oder mehr Mitglieder hat.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Im Zuge der Covid-19-Gesetzgebung wurden einige Fristen für Vereine verlängert; z.B. wurde die Frist für die Vorlage der Jahresabschluss-Unterlagen von 5 Monaten nach Ende des Rechnungsjahres auf bis zu 9 Monate verlängert (betrifft v.a. Vereine, die eine Steuererklärung beim Finanzamt abgeben müssen).

NICHT verlängert wurden „individuell in den jeweiligen Vereinsstatuten festgelegte Fristen; z.B. Einladungsfristen zu Versammlungen, Funktionsdauer des Vorstandes und der Rechnungsprüfer. Hierbei handelt es sich um privatrechtliche Vereinbarungen zwischen dem Vorstand und den Mitgliedern (der Jahreshauptversammlung) eines Vereins, in welche der Bundesgesetzgeber nicht eingreifen kann und darf.“

Das bedeutet:
Die periodische Jahreshauptversammlung
mit Neuwahlen muss im Rahmen der bestehenden Fristen abgehalten werden.

Die periodische Jahreshauptversammlung ohne Neuwahlen kann, wenn mehr als 50 Personen teilnahmeberechtigt sind, bis zum Jahresende 2021 verschoben werden. Als teilnahmeberechtigt gelten alle Mitglieder des Vereines, unabhängig, ob sie erfahrungsgemäß zur Jahreshauptversammlung erscheinen oder nicht. Sind weniger als 50 Personen teilnahmeberechtigt ist die Jahreshauptversammlung abzuhalten.

Mögliche Auswirkungen, wenn die Neuwahlen nicht stattfinden:

Oft sind es Banken oder andere rechtsgeschäftliche Partner, die akkurat darauf achten, dass eine rechtsgültige Vertretungsbefugnis der einzelnen Vorstandsmitglieder gegeben ist. Eine mögliche konkrete Auswirkung wäre die Verweigerung von Überweisungen, weil Vereinsfunktionäre mit dem Ende ihrer Funktionsperiode auch ihre Zeichnungsberechtigung am Bankkonto verlieren. Bis zur Neuwahl und dem anschließenden Eintrag ins ZVR hätte der Verein dann keine Zugriffsmöglichkeiten mehr auf sein Bankkonto. Auch wäre ein Ansuchen um Förderungen ohne rechtsgültige Vertretungsbefugnis der einzelnen Vorstandsmitglieder nicht möglich.

In letzter Konsequenz könnte die Nicht-Abhaltung der Wahl auch eine behördliche Auflösung des Vereins zur Folge haben. Zu Zeiten der Covid-19-Krise kann aber davon ausgegangen werden, dass die Behörde die Abhaltung der Wahl in einem ersten Schritt einmahnt und dem Verein damit eine Chance gibt.

Nichts zu tun ist jedenfalls die schlechteste Variante!

Das Justizministerium hat für Jahreshauptversammlungen während der Corona-Krise mit der Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Verordnung folgende Umsetzungsmöglichkeiten geschaffen, unabhängig davon, ob ein entsprechendes Vorgehen von den Vereinsstatuten gedeckt ist. Die rechtliche Basis für diese Umsetzungsmöglichkeiten ist ganz am Ende dieses Textes dargestellt:

Variante 1.) Abhaltung im Rahmen einer virtuellen Versammlung mit Übertragung von Bild und Ton (Videokonferenz)

Variante 2.) Abhaltung im Rahmen einer virtuellen Versammlung, in der bis zu 50% der TeilnehmerInnen, mithören und mitreden können, aber keine optische Verbindung besteht (Mischform aus Telefonkonferenz und Videokonferenz). Dabei muss das einzelne Mitglied in der Lage sein, Wortmeldungen abzugeben und an Abstimmungen teil zu nehmen.

Variante 3.) Abhaltung per schriftlicher Abstimmung

Bei allen drei Möglichkeiten ist zu beachten, dass bei Jahreshauptversammlungen für jedes Vereinsmitglied die MÖGLICHKEIT DER TEILNAHME sichergestellt sein muss. In „normalen“ Jahren passiert das durch die rechtzeitige Einladung zur Sitzung.

Bei den Varianten 1.) und 2.) können die Hürden für eine Möglichkeit der Teilnahme je nach der Zahl der Mitglieder und ihrem technischen Verständnis hoch sein.

Von Juristen wurden Zweifel daran geäußert, wie die Möglichkeit der Teilnahme für alle Mitglieder gewährleistet und nachgewiesen werden kann.

Wir empfehlen daher, vor allem die Variante 3.) in Erwägung zu ziehen. Dabei ist eher nicht mit technischen oder juristischen Schwierigkeiten bei der Durchführung zu rechnen.

 

Für die zahlreichen traditionell im Frühjahr stattfindenden Jahreshauptversammlungen von Vereinen gibt es daher zwei Szenarien

A.) 2020 müssen KEINE NEUWAHLEN abgehalten werden.

B.) 2020 sind NEUWAHLEN abzuhalten.

Ad A.) Keine Neuwahlen

Wenn für die Jahreshauptversammlung mehr als 50 Personen teilnahmeberechtigt sind – d.h. der Verein 51 oder mehr Mitglieder hat - (es reicht die abstrakte Teilnahmeberechtigung, und nicht, wie viele Mitglieder erfahrungsgemäß kommen), dann kann die Jahreshauptversammlung bis zum Jahresende 2021 verschoben werden.

Im Fall der Verschiebung bitte folgende Schritte beachten:

  1. Beschließen Sie im Rahmen einer Vorstandssitzung (z.B. per email-Umlaufbeschluss) eine Verschiebung auf einen konkreten Zeitraum im Jahr 2020 oder 2021, z.B. ein Jahr später als üblich, oder gleich auf ein konkretes Datum.
  2. Informieren Sie die zuständige Vereinsbehörde über Ihren Beschluss der Verschiebung, holen Sie sich das schriftliche Einverständnis der Behörde und informieren Sie anschließend Ihre Mitglieder über den neuen Zeitplan für die Jahreshauptversammlung.
  3. Führen Sie die Jahreshauptversammlung mit allen in „normalen“ Jahren auch üblichen Inhalten und unter Einhaltung aller in den Statuten vorgesehenen Fristen durch – die Entlastung des Vorstandes erfolgt eben zu diesem späteren Zeitpunkt.
  4. Führen Sie die Jahreshauptversammlung 2022 zum sonst auch üblichen Zeitpunkt durch – also wie in einem „normalen“ Jahr im Frühjahr und nicht ein Jahr nach der 2020er-Versammlung.

Wenn für die Jahreshauptversammlung weniger als 50 Personen teilnahmeberechtigt sind – d.h. der Verein 50 oder weniger Mitglieder hat, dann kann die Jahreshauptversammlung nicht verschoben werden. Vorgangsweise wie unter Ad B.) beschrieben.

Ad B.) Es müssen Neuwahlen / die Jahreshauptversammlung abgehalten werden

In diesem Fall müssen Sie die Versammlung fristgerecht vor Ende der laufenden Vorstandsperiode abhalten – unabhängig von der Mitgliederzahl. Wenn Sie nicht sicher sind, sehen Sie im zentralen Vereinsregister nach. Wenn die Periode schon abgelaufen ist, sollten Sie ihre Vereinsbehörde informieren und die Versammlung so rasch wie möglich nachholen.

Bei der Umsetzung sind folgende Schritte beachten:

1.)   Beschließen Sie im Rahmen einer Vorstandssitzung (z.B. per email-Umlaufbeschluss) das Datum und die Art der Durchführung der Jahreshauptversammlung, z.B. schriftliche Abstimmung oder virtuelle Durchführung.

2.)   Sollten Ihre Statuten eine persönliche Anwesenheit der Vorstandsmitglieder verlangen, kann eine Sitzung im Rahmen des gelockerten Versammlungsverbotes unter Einhaltung der geltenden Sicherheitsbestimmungen durchgeführt werden.

Empfehlung: Reduzieren sie die Tagesordnung auf so wenig Punkte wie möglich. Verschieben Sie so viele Themen wie möglich auf eine außerordentliche Jahreshauptversammlung, die Sie dann durchführen, wenn Versammlungen wieder erlaubt sind.

Für die Tagesordnung schlagen wir Ihnen zwei Szenarien vor:

Szenario A.) Einziger Tagesordnungspunkt: Durchführung der Neuwahlen

Szenario B.) Weitere Tagesordnungspunkte:

+     Beschluss über die Entlastung des Vorstandes für das vergangene Geschäftsjahr. Voraussetzung: Vorliegen eines Kassaberichtes und eines Berichtes der Rechnungsprüfer

+     Beschluss über das Budget 2020, unter der Voraussetzung, dass das laut Statuten in der Verantwortung der Jahreshauptversammlung liegt.

3.)   Legen Sie einen Stimmzettel mit dem Wahlvorschlag bei, unter Nennung der zur Wahl stehenden Personen und ihrer geplanten Funktionen im Vorstand. Der Stimmzettel muss die Möglichkeit vorsehen, mit JA, NEIN oder STIMMENTHALTUNG abzustimmen. Er muss vom empfangenden Mitglied mit seinem Namen versehen und unterschrieben werden, damit er Gültigkeit erhält. Sie können die Stimmzettel aber auch schon personalisiert versenden. Anmerkung: Auch bei einer „normalen“ Jahreshauptversammlung wird nicht anonym abgestimmt.

4.)   Den Mitgliedern ist Gelegenheit zu geben, bis zu 72 Stunden vor der Abstimmung zu den Tagesordnungspunkten der Jahreshauptversammlung schriftlich Stellung zu nehmen und schriftlich Fragen zu stellen. Die Fragen sind unverzüglich zu beantworten und zusammen mit den Antworten in gleicher Weise bekannt zu machen wie die schriftliche Abstimmung.

5.)   Die Frist für die Abgabe der Stimmzettel ist gleich wie die für die Bekanntgabe des Termins der Jahreshauptversammlung. Steht in ihren Statuten, dass zur Jahreshauptversammlung z.B. mit einer Frist von 14 Tagen eingeladen werden muss beträgt die Frist für die Abgabe der Stimmzettel ebenfalls 14 Tage. Diese Frist gibt an, bis wann die Stimmzettel ABGESCHICKT werden dürfen – nicht bis wann sie EINGELANGT sein müssen. Antworten sind auch per mail möglich. Achten Sie in diesem Fall darauf, dass aus den Antworten eine eindeutige Abstimmungsabsicht ersichtlich ist und die Identität der Mitglieder zweifelsfrei festgestellt werden kann.

Eine Jahreshauptversammlung ist unabhängig von der Zahl der anwesenden Mitglieder beschlussfähig. Sie brauchen daher auch bei der schriftlichen Abstimmung kein Mindest-Quorum. Die Beschlüsse sind in jedem Fall gültig.

Empfehlung: Verfassen Sie das Abstimmungsprotokoll gemeinsam mit den Rechnungsprüfern und lassen sei es von diesen auch unterschreiben.

5.)   Wenn sie die Jahreshauptversammlung nicht virtuell oder per Abstimmung durchführen wollen, sondern mit physischer Anwesenheit der Mitglieder, gilt für Vereinsversammlungen (Mitglieder, Vorstand, etc.) die 10-Personen Begrenzung nicht (Ausnahmefall nach dem Vereinsgesetz und dem Versammlungsgesetz). Für rein gesellige, von einem Verein veranstaltete, Anlässe aber sehr wohl!

Jedenfalls aber mindestens 1 m Abstand, und in geschlossenen Räumen, egal ob öffentlich oder nicht, ist von allen Teilnehmenden ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen.

Pro Person muss eine Fläche von 10 m² zur Verfügung stehen.

 

Möglicher Ausnahmefall, den sie mit uns oder der Vereinsbehörde hinsichtlich seiner Anwendbarkeit diskutieren sollten:

In ihren Statuten befindet sich diese oder eine ähnlich lautende Formulierung „Die Funktionsperiode des Vorstandes beträgt „x“ Jahre. Auf jeden Fall währt sie bis zur Wahl eines neuen Vorstandes.“ Eventuell entbindet sie diese Festlegung in den Statuten davon, eine an sich notwendige Neuwahl zum jetzigen Zeitpunkt durchführen zu müssen. Jedenfalls muss die „Verlängerung der Funktionsperiode“ auch im ZVR durchgeführt werden und dort ersichtlich sein.

Link: Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Verordnung