01. März 2021

Zuhören, wo der Schuh drückt und gemeinsam Perspektiven für das Freiwilligenwesen in der Zukunft besprechen

Landesrat Jochen Danninger, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Konrad Tiefenbacher, Service Freiwillige, und Martin Lammerhuber, Holdinggeschäftsführer der Kultur.Region.Niederösterreich GmbH (v.l.n.r.) © NLK Burchhart

Niederösterreich zählt über 20.000 Vereine, die durch die Corona-Pandemie vor ähnlich gelagerten Herausforderungen stehen. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Landesrat Jochen Danninger sprachen beim ersten „Ehrenamts- und Freiwilligen-Onlinegipfel“ mit 25 Obleuten und Präsidenten der großen niederösterreichischen Dachorganisationen im Freiwilligenwesen über die aktuelle Situation und Perspektiven.

Die Landeshauptfrau erkenne ein sehr großes Bewusstsein bei den Vereinen, dass man „weiterhin vorsichtig bleiben und alle Richtlinien einhalten muss, aber man erhofft sich doch in den nächsten Wochen einiges an Erleichterung durch das Freitesten.“ Eine hohe Testintensität werde auch der Schlüssel dazu sein, damit auch das Vereinsleben endlich wieder starten könne. Vor möglichen Lockerungsschritten müsse man jedoch „die Situation genau betrachten, das Infektionsgeschehen beobachten und vor allem die Lage in unseren Kliniken im Auge haben“, so Mikl-Leitner.

Seit mittlerweile einem Jahr ist das Freiwilligenwesen in Niederösterreich stark eingeschränkt und stellt viele Organisationen vor große Herausforderungen. „Deshalb war es mir wichtig zu diesem ersten Ehrenamtstreffen zu laden, um mit Obleuten, Präsidentinnen und Präsidenten von Niederösterreichs Dachverbänden die aktuelle Situation zu analysieren, zu hören, wo der Schuh drückt und gemeinsam Lösungsansätze und Perspektiven für das Freiwilligenwesen in der Zukunft zu besprechen.“

Landesrat Jochen Danninger sah es als „Zeichen der Wertschätzung, dass Vertreter des Sports bei diesem Onlinegipfel dabei sein können.“ Denn es sei wichtig, dass man im Sport rasch wieder in die Gänge komme. Danninger dazu: „Der Sport ist in Mitleidenschaft gezogen worden und wir haben versucht, zumindest den finanziellen Schaden gering zu halten. Ich habe mich massiv dafür eingesetzt, dass der NPO-Fonds verlängert wird und hoffe, dass uns weitere Verbesserungen gelingen.“ Im Hinblick auf Outdoor-Sport verwies Danninger darauf, dass Präventionskonzepte ein guter Lösungsansatz seien, um Lockerungen im Sportbereich zu ermöglichen.

Auf die aktuellen Herausforderungen wiesen die 25 Teilnehmer via Online-Wortmeldungen hin. Landesobmann Peter Höckner vom NÖ Blasmusikverband und Claudia Nemec von der Volkskultur NÖ sprachen sich dafür aus, die „Wohnzimmertests anzuerkennen, um zumindest im kleinen Rahmen Treffen zuzulassen.“ „Volkstanz- oder z.B. auch Chor- und Musikproben stellen gerade für ältere Vereinsmitglieder einen wichtigen Fixpunkt im Alltag dar und diese sozialen Kontakte sind äußerst wichtig für die mentale Gesundheit der Menschen.“ betonen beide den sozialen und gesellschaftlichen Wert der Vereinsarbeit.

Klaudia Atzmüller, Vorsitzende des NÖ Hospizverbandes bemerke Probleme in der Ausbildung für Hospizbegleiter, da diese nur beschränkt möglich sei. Ein Teil der rund 800 ehrenamtlichen Hospizbegleiter sei bereits geimpft. „Unser Wunsch ist es, dass wir im nationalen Impfplan vorgereiht werden“, sagte Atzmüller.

Herbert Nowohradsky, Landesobmann der NÖ Senioren führte die Problematik bei der Impfanmeldung ins Treffen, hier seien Verbesserungen notwendig. Dazu die Landeshauptfrau: „Der Großteil der Impfanmeldungen erfolgt online. Und ja wir wissen, dass ältere Personen mit dieser Online-Anmeldung oft Probleme haben. Daher haben wir das System auch verbessert und es können nun auch Anmeldungen etwa über die Gemeinden erfolgen. Aber das Hauptproblem liegt vor allem daran, dass es zu wenig Schutzimpfungen gibt, dass die Nachfrage größer ist als der verfügbare Impfstoff.“

Einen Blick über die Grenzen wirft der Vorstandsvorsitzende des Dachverbandes NÖ Selbsthilfe Ronald Söllner: "Gruppentreffen von Selbsthilfegruppen sind in Deutschland in vielen Bundesländern möglich, da diese unter "soziale Fürsorge" fallen. Bis dato sind leider alle Anfragen an das Gesundheitsministerium unbeantwortet geblieben. Gerade Selbsthilfegruppen aus den Bereichen Suchterkrankungen oder psychische Erkrankungen haben in der Pandemie einen hohen Zulauf - besonders auch von Kindern und Jugendlichen mit Perspektivlosigkeit und Zukunftsängsten. In diesem Bereich ist sehr viel an Emotionen aufgebaut und eine Videositzung kann ein persönliches Gespräch (auch in der Gruppe) nicht ersetzen. Wir hoffen hier auf eine kurzfristige Lösung im Sinne unserer Klienten."

Raimund Hager, der Präsident der Sportunion NÖ meinte etwa: „Kein Funktionär versteht es, wenn die getesteten Kinder am Vormittag gemeinsam in der Schule sitzen, aber am Nachmittag nicht Outdoor-Sport machen dürfen.“ Zudem steige der Frust bei den Funktionären und viele Vereine würden einen Mitgliederschwund von bis zu 40 Prozent verzeichnen. Genauso beurteilt auch Johann Gartner, Präsident des NÖ Landesfußballverbandes, die Situation: „Ein Kind als aktives Vereinsmitglied zu verlieren, geht schnell, es für den Fußball wiederzugewinnen ist ein enormer Aufwand für Funktionäre und Trainer. Wir trainieren ohnehin im Freien, auch in Kleingruppen – unsere Trainer haben viele innovative Ideen, wie ein Training ohne einem tatsächlichen Spiel 11 gegen 11 stattfinden kann und trotzdem Spaß macht. Wir müssen nur dürfen!“

Viele der Hygieneanforderungen sieht Wolfgang Labenbacher, Präsident des NÖ Landesskiverbandes, in seinen Vereinen bereits umgesetzt: „Wir sind als Vereine aber nicht nur für die Ausarbeitung der Konzepte zuständig, sondern auch verantwortlich dafür, dass sie eingehalten und umgesetzt werden. Dass ist v.a. deshalb wichtig, weil die Kinder nicht auf ein Jahr Ausbildung verzichten können – uns würde in allen Kadern der Jahrgang 2020/2021 fehlen und das hätte auch negative Auswirkungen auf unseren Sport in der Zukunft!“

Josef Schaden vom BhW Niederösterreich und Maria Forstner, Obfrau der NÖ Dorf- und Stadterneuerung, geben sich optimistisch: „Wir sind zuversichtlich, dass es nach der Pandemie wieder weitergeht. Die Menschen stehen in den Startlöchern und warten, dass es wieder losgehen kann. Diese Pandemie hat neue Möglichkeiten hervorgebracht.“ Optimistisch ist auch Hannes Bauer, Landesvorsitzender des Pensionistenverbandes, was das Engagement seiner Mitglieder betrifft, aber: „Ich fürchte das Virus wird fester Bestandteil unseres Lebens – insbesondere für die vulnerablen Gruppen und da zählen die Pensionisten zweifelsfrei dazu - für längere Zeit bleiben.“

Auf eine rasche Rückkehr ins Vereinsleben hoffen auch die Pfadfinder. In fast 80 Gruppen sind 8.500 Mitglieder aktiv. Doch seit fast einem Jahr sind oder waren weder Feste noch Sommerlager möglich, und auch das Angebot an digitalen Heim-Abenden würde immer weniger angenommen werden. Der Unmut ist groß: „Wir haben überhaupt kein Verständnis mehr dafür. Es nimmt auch bei den Eltern ab und bei den Kindern und Jugendlichen sowieso“, sagt Helmut Salat, Präsident des Landesverbandes der Pfadfinder und Pfadfinderinnen.

Bei den wenigen Aktivitäten, die in den vergangenen Monaten gesetzt werden durften, sei es zu keinerlei Infektionen gekommen. „Außerdem ist es ja so, dass sich die Kinder und Jugendlichen auch außerhalb der Schule treffen und sich da genauso anstecken können. Wir hätten sie mit unsere Hygienevorschriften wenigstens unter Kontrolle“, so Salat.

„Wir brauchen Planungssicherheit!“ betont Obfrau Martina Esberger vom Außerberuflichen Theater in Niederösterreich. „Die Amateurtheatergruppen möchten wieder spielen. Jedoch ohne Planungssicherheit beginnt keiner zu proben. Vergangenes Jahr mussten vor der Premiere zu viele Veranstaltungen und Auftritte – teilweise sehr kurzfristig – absagt werden. Angst vor der Verringerung von Theatergruppen haben wir derzeit nicht.

Alpenverein (Vorsitzende Simone Findeis) und Naturfreunde (Vorsitzende Karin Scheele) sind in einer ähnlichen Situation – während einerseits die Vereinsaktivitäten bis auf Null reduziert sind erfreut sich andererseits deren Betätigungsfeld beinahe täglich steigender Beliebtheit: der Wandersport ist einer der Gewinner der Pandemie – aber wie das Wegenetz mit Freiwilligen erhalten und pflegen, wenn eigentlich nichts geht!? Sorgen bereitet Findeis der steigende Trend zu Skitouren: „Die Ausbildungen von Tourenführer*Innen können nicht stattfinden - das führt zu einer höheren Verletzungsgefahr von Hobbysportlern, die sich dann oft unvorbereitet den alpinen Gefahren aussetzen.“

In einer privilegierten Situation sehen sich die Museen, sagte Elisabeth Vavra, Obfrau des Vereins Museen und Sammlungen Niederösterreich, denn viele dieser Einrichtungen hätten heuer besonders früh geöffnet und dadurch viele Besucher begrüßen können.

„Wir werden weiterhin das Engagement im Freiwilligenbereich unterstützen und gerade jetzt ist ein Zusammenhalt umso wichtiger, um vielen Menschen aufgrund der Situation Mut zu machen. Soziale Kontakte und Nähe sind das Um und Auf einer Gesellschaft und das gilt gerade auch für das Vereinsleben“, so Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. 

Die Initiative Service Freiwillige unter dem Dach der Kultur.Region.Niederösterreich steht weiterhin für rechtliche und organisatorische Fragen zur Verfügung, Tel. 0810 00 10 92.